… da dachte ich das gibt noch mal den echten Kracher in Bielefeld. Thomas Kellein verabschiedet sich mit einer Picassoausstellung, die einen siebenstelligen Betrag kostet. Das muss doch die Bombe sein. Kellein hat doch vor kurzem erst die 80er revisited ausgestellt. Zweiteilig. Grandios. Oder die Yoko Ono Ausstellung. Die Impressionisten … Lauter Ausstellungen die einen vom Hocker warfen. Jetzt seine letzte Kuration für Bielefeld mit einem Wahnsinnsetat.
Ne, Herr Kellein, ich bin echt entäuscht. Meine Gefühlswelt ist durchgerüttelt. Das Thema ist wahnsinnig interessant. Picasso 1905 frisch in Paris. Welchen Einflüssen ist er ausgeliefert. Henry de Toulouse Lautrec und seine Gestalten der Nachtwelt. Die Erste Zeichnung auf die ich zusteuere im ersten OG ist eine Picasso Arbeit zur Jeane Avril. Ach guck an. Wo ist denn der Bezug? — In einem anderen Raum. Klein, fein und voll mit Lautrec Arbeiten. Ich hätte eigentlich eine direkte Gegenüberstellung gewünscht. Um zu Vergleichen, um Einflüsse zu entdecken. Hmmm. Mir fällt plötzlich auch auf, dass fast nur Originalgrafiken und Zeichnungen ausgestellt sind. Nun gut. Aber die Qualität der Blätter. Bei anderen Künstlern wären sie sicher vernichtet worden. Klar man spürt so, wenn man vom Fach ist, wie hart auch ein Picasso arbeiten musste. Aber tun wir dem Maestro wirklich einen Gefallen wenn wir Studienarbeiten ausstellen?
Plötzlich befinde ich mich in einem Raum mit durchaus bekannten Grafiken, aber die sind doch aus den 50ern. Wie war noch der Titel der Ausstellung? Was mich aber total irritiert sind die Repliken. Da hängen im Museum Dinge, die ich eher im Wartezimmer einer Arztpraxis erwarte. Auf Leinwand ausgedruckte Repliken von Picasso-Bildern. Klar die Originale waren sicher in der Versicherung zu hoch, aber im Museum erwarte ich Originale. Überhaupt beschleicht mich das Gefühl, das Picassomaterial hat nicht ausgereicht. Überall hängen riesige Fotoabzüge von Pariser Straßenszenen aus dem Beginn des 20ten Jahrhunderts. 2 bis 3 wären sicher gut gewesen, mir sind es aber zu viele, die mir ein Zeitgefühl vermitteln sollen.
Nachdem ich auch die 2te Etage besucht habe beginnt der Reigen der Eröffnungsreden. Ich bummele treppab zurück in die Eingangshalle. Geschickt ist es, dass man eine Leinwand aufgestellt hat auf die man die Redenden überträgt, denn das Auditorium ist eh immer überfüllt. So kann man etwas entspannter der Eröffnung folgen. Zum Schluss ergreift der eingeflogene Thomas Kellein noch das Wort. Ich greife mein Moleskine und halte einen letzten Blick auf ihn fest. So kann ich, neben der Erinnerung an eine wundervolle, kleine Picasso Gouache einer blau gekleideten Frau, wenigstens etwas mit nach Hause nehmen.

„Ein letzter Blick“, Bleistift, Polychromo und Aquarell auf Skizzenpapier, 29,7 x 21 cm
Preis auf Anfrage
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