Brevier digital.

War auch im Zug. Schräg über den Gang, vertieft und die Welt um sich vergessend, saß er, mit einem Gesicht und einer Mimik, die gut auch in das ausklingende 19. Jahrhundert gepasst hätte. Er erinnerte an eine Pastor, gerade auch von der Haltung. Die Daumen huschten hin und her. Nein es war kein Gesangbuch oder Gebetsbändchen. Er erledigte, ganz Profan, seinen Email-Verkehr. Sein Büro passte in die Westentasche, wie dereinst die Gebetbücher, die Pastoren zu den Sterbenden mitnahmen — jetzt hat man halt ein digitales Brevier.

Bleistift auf Skizzenpapier

Der Pixelgrafikprüfer

Früher, ja früher, da war ein Billett ungefähr halb so groß wie eine Visitenkarte. Der Zugführer besaß eine Zange, mit der konnte er eine Marke an der Seite des Fahrschein herausbeissen und so zu verstehen geben, diese Karte ist benutzt. Nun sind wir digital, der Fahrkartenkauf dauert mindestens 3 mal so lange wenn man zum Schalter geht. Der Oberbahnhäuptling hatte zwischendurch auch erwogen einen Bedienaufschlag einzuführen. Zum Glück gibt es ja das Internet, da kann man sein Ticket selbst ordern. Dauert zwar meist noch etwas länger, aber wenigstens muss man nicht mehr aus dem Haus, wenn man nicht Bahn fahren wollte. Die Beförderungslizenzen sind dafür auch Schreibmaschinenpapier groß und haben oben eine Pixelgrafik, in der sind alle Informationen gespeichert. Der Schaffner hat dann ein Lesegerät mit dem er die Grafik einscannt und direkt online überprüft, ob ich mich auch gewaschen habe. Er ist also jetzt ein Pixelgrafikprüfer. — Bin ich froh das die Conducteure wenigstens ihre Körperhaltung und ihr Gewissenhaftigkeit behalten haben.

Bleistift auf Skizzenpapier

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